Begriffe aus dem Strafrecht erklärt

Genetische Diskriminierung

Inhaltsverzeichnis

Die rasanten Fortschritte in der Genetik, der personalisierten Medizin und der DNA-Analyse eröffnen nicht nur neue therapeutische Möglichkeiten, sondern werfen auch erhebliche ethische und rechtliche Fragen auf. Eine der brisantesten: Wie kann der Missbrauch genetischer Informationen verhindert werden? Und was geschieht, wenn Menschen aufgrund ihrer genetischen Merkmale diskriminiert oder sogar strafrechtlich verfolgt oder benachteiligt werden? Die Rede ist von genetischer Diskriminierung – also der Benachteiligung, Verfolgung oder Stigmatisierung von Personen aufgrund ihrer DNA oder genetischen Veranlagung. Dabei geht es nicht nur um fiktive Szenarien wie im Film Gattaca, sondern um reale Gefahren: Kündigungen wegen genetischer Krankheitsrisiken, Ausschluss aus Versicherungen, Benachteiligung bei Bewerbungen oder gezielte Angriffe auf Personen mit bestimmten genetischen Merkmalen.

Was ist genetische Diskriminierung?

Genetische Diskriminierung bedeutet die ungleichbehandelnde, negative Bewertung oder Behandlung eines Menschen auf der Grundlage seiner genetischen Eigenschaften. Diese Eigenschaften können sein:

  • Erbkrankheiten (z. B. Huntington, Mukoviszidose)
  • genetische Risikofaktoren (z. B. für Krebs oder Alzheimer)
  • ethnisch identifizierende Marker in der DNA
  • Neigung zu psychischen Erkrankungen
  • genetisch bestimmte körperliche Merkmale

Der Begriff umfasst sowohl individuelle Diskriminierungen (z. B. bei Versicherungsverträgen oder Arbeitsverhältnissen) als auch strukturelle Diskriminierung (z. B. durch den Einsatz von DNA-Datenbanken in Ermittlungsverfahren oder durch technische Systeme mit genetischer Risikobewertung).

Rechtslage in Deutschland

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Das AGG schützt grundsätzlich vor Diskriminierung wegen „ethnischer Herkunft“, Behinderung oder chronischer Erkrankung, jedoch nicht ausdrücklich wegen genetischer Merkmale. Es kann aber im Einzelfall anwendbar sein, wenn eine genetische Disposition als Behinderung zu werten ist (§ 1, § 3 AGG).

Gendiagnostikgesetz (GenDG)

Das wichtigste Schutzgesetz in Deutschland ist das Gendiagnostikgesetz (GenDG), das seit 2010 gilt. Es regelt:

  • die Zulässigkeit genetischer Untersuchungen beim Menschen
  • die Verarbeitung genetischer Daten
  • den Schutz vor genetischer Diskriminierung, insbesondere im Arbeits- und Versicherungsrecht

§ 18 GenDG: Arbeitgeber dürfen keine genetischen Untersuchungen verlangen oder Ergebnisse verwerten.

§ 20 GenDG: Private Versicherer dürfen genetische Daten nur unter engen Voraussetzungen nutzen.

Strafrechtlicher Schutz

Das StGB kennt keinen eigenen Straftatbestand „genetische Diskriminierung“. Allerdings können je nach Fallkonstellation folgende Vorschriften greifen:

§ 203 StGB – Verletzung von Privatgeheimnissen: Bei unbefugter Weitergabe genetischer Befunde durch Ärzte, Labore, Versicherungen oder Arbeitgeber.

§ 241 StGB – Bedrohung / § 185 StGBBeleidigung: Wenn genetische Merkmale für Mobbing, Einschüchterung oder Ehrverletzungen missbraucht werden.

§ 22 KSchG – Diskriminierende Kündigung: Kündigungen aufgrund genetischer Risiken könnten eine sittenwidrige oder sozial ungerechtfertigte Kündigung darstellen.

§§ 823 ff. BGB – Deliktsrechtliche Haftung: Für Schäden durch Offenlegung oder missbräuchliche Verwendung genetischer Daten.

Zukünftige Risiken: Warum das Thema an Bedeutung gewinnt

Mit dem Fortschritt in der Genforschung, der CRISPR/Cas-Technologie, Direkt-zu-Verbraucher-Gentests (z. B. 23andMe) und dem Aufbau internationaler DNA-Datenbanken (auch bei Strafverfolgungsbehörden), steigen die Risiken deutlich:

  • Personenbezogene Gendaten werden zur Handelsware
  • Polizeiliche DNA-Phänotypisierung eröffnet Rückschlüsse auf Herkunft, Hautfarbe, Alter oder Krankheitsrisiken
  • Soziale Selektion durch Algorithmen, die genetische Profile berücksichtigen
  • Genetische Clusterbildung bei Versicherungs- oder Kreditvergabe

In einem solchen Kontext wird die strafrechtliche Regulierung zur dringenden Aufgabe des Gesetzgebers.

Internationales Recht

UNESCO-Deklaration über das menschliche Genom (1997)

Diese internationale Grundsatzdeklaration verbietet die Diskriminierung aufgrund genetischer Merkmale und betont die Würde und Autonomie des Menschen.

Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)

Art. 8 EMRK (Recht auf Privatleben) schützt auch die Genetische Identität. Die Verwendung genetischer Daten ohne Zustimmung kann ein Verstoß gegen die Konvention sein.

Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)

Art. 9 DSGVO stellt genetische Daten unter besonderen Schutz. Ihre Verarbeitung ist nur in engen Ausnahmen zulässig – insbesondere mit ausdrücklicher Einwilligung.

Strafrechtlicher Handlungsbedarf

Obwohl es zivilrechtliche und datenschutzrechtliche Schutzmechanismen gibt, fehlt bislang ein klarer Straftatbestand zur gezielten Diskriminierung oder zum Missbrauch genetischer Informationen. In Betracht kommt in Zukunft ein eigener Paragraph, z. B.:

„§ XYZ – Genetische Diskriminierung:

Wer eine Person aufgrund ihrer genetischen Merkmale benachteiligt, einschüchtert oder gezielt verfolgt oder genetische Informationen zum Zwecke der Diskriminierung verarbeitet, wird […] bestraft.“

Ein solcher Tatbestand müsste vor allem folgende Elemente enthalten:

  • Tatobjekt: genetisches Merkmal oder DNA-Information
  • Tathandlung: Benachteiligung, Ausschluss, Bedrohung, gezielte Auswertung
  • Vorsatz: zielgerichtete Diskriminierung oder Schädigung

Fazit

Genetische Diskriminierung ist ein aufkommendes, in Zukunft hochrelevantes Phänomen an der Schnittstelle von Medizin, Ethik, Technik und Strafrecht. Bereits heute bestehen durch das Gendiagnostikgesetz, das AGG und die DSGVO gewisse Schutzmechanismen – doch das Strafrecht reagiert bislang nur punktuell. Angesichts wachsender DNA-Nutzung in Wirtschaft, Strafverfolgung und Gesellschaft wird eine präzise gesetzliche Regelung zunehmend erforderlich.

Ihr Ansprechpartner

Marc Wederhake
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht

Telefon: 089 / 5880 83670
E-Mail: sekretariat@kanzlei-wederhake.de

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