Begriffe aus dem Strafrecht erklärt

Schutzschrift im Strafrecht

Inhaltsverzeichnis

Die sogenannte Schutzschrift war bislang vor allem aus dem Zivilprozessrecht bekannt – dort als vorbeugende Maßnahme gegen den Erlass einstweiliger Verfügungen. Inzwischen etabliert sich jedoch auch im Strafrecht zunehmend ein vergleichbarer Mechanismus: Die strafrechtliche Schutzschrift. Dabei handelt es sich um ein vorsorglich eingereichtes Verteidigungsschreiben, das sich gegen drohende Durchsuchungen, Sicherstellungen, Untersuchungshaft oder andere Zwangsmaßnahmen richtet. Ziel ist es, den zuständigen Ermittlungsrichter bereits vor Erlass einer Maßnahme über die Sichtweise und Entlastungsargumente der Verteidigung zu informieren – etwa um die Anordnung zu verhindern oder zumindest ihre Eingriffsintensität zu reduzieren. Der Einsatz von Schutzschriften im Strafverfahren ist rechtlich nicht ausdrücklich geregelt, aber zulässig und zunehmend anerkannt. Vor allem im Bereich des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, bei Berufsgeheimnisträgern, Unternehmensverantwortlichen oder in politisch sensiblen Verfahren spielt sie eine zunehmende Rolle.

Rechtsgrundlagen und dogmatische Einordnung

Keine ausdrückliche Regelung in der StPO

Das Strafprozessrecht kennt die Schutzschrift nicht ausdrücklich. Es gibt also keine Norm, die ihre Einreichung regelt. Vielmehr ergibt sich die Zulässigkeit aus den allgemeinen Grundsätzen des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), der Verteidigungsfreiheit und dem Prinzip des fairen Verfahrens (Art. 6 EMRK).

Zudem ist die richterliche Anordnung von Maßnahmen wie Durchsuchung oder Haft stets an strenge Voraussetzungen gebunden, insbesondere:

Die Schutzschrift bietet eine Möglichkeit, diese richterliche Prüfung frühzeitig zu beeinflussen, indem entlastende Umstände, rechtliche Bewertungen und tatsächliche Darstellungen durch die Verteidigung vorgetragen werden.

Zweck und Zielrichtung einer strafrechtlichen Schutzschrift

Die Schutzschrift dient der präventiven Verteidigung in der Frühphase eines Strafverfahrens – häufig noch bevor der Beschuldigte offiziell von Ermittlungen erfährt. Typische Einsatzbereiche sind:

  • Abwehr drohender Durchsuchungsbeschlüsse

  • Verhinderung der Untersuchungshaft

  • Vorbereitung auf drohende Vermögensarreste (§ 111e StPO)

  • Verteidigung gegen bevorstehende Sicherstellungen oder Beschlagnahmen

  • Abwendung von Durchsuchungen bei Berufsgeheimnisträgern (§ 97 StPO)

Ziel ist es, den zuständigen Ermittlungsrichter frühzeitig über die Gegensicht zu informieren – oft bei begründetem Verdacht, dass Ermittlungsbehörden einseitig oder voreilig agieren könnten.

Inhalt und Aufbau einer Schutzschrift im Strafrecht

Eine Schutzschrift ist formal kein förmlicher Schriftsatz, aber sie sollte professionell und argumentativ juristisch fundiert aufgebaut sein. Typische Inhalte sind:

Adressierung an das zuständige Ermittlungsgericht

Betreffzeile, z. B. „Schutzschrift zur vorbeugenden Wahrung rechtlichen Gehörs gem. Art. 103 GG

Einleitung mit Darstellung des Verfahrensstands (soweit bekannt)

Kernvorwürfe und Gegenposition:

  • Darstellung der bekannten Vorwürfe

  • Subjektive wie objektive Entkräftung

Rechtliche Würdigung:

  • Keine Anfangsverdachtslage
  • Keine Voraussetzungen für Maßnahmen (z. B. Haftgrund, Durchsuchung)

Darlegung der Verhältnismäßigkeit

  • Unverhältnismäßiger Grundrechtseingriff

  • Möglichkeit milderer Mittel

 

  1. Verweise auf Beweismittel oder Rechtsliteratur
  2. Schlussformulierung, z. B. Bitte um Berücksichtigung im Falle einer richterlichen Entscheidung

Die Schutzschrift kann auch um konkrete Anträge ergänzt werden – etwa auf Nichtanordnung einer Durchsuchung, Verzicht auf Sicherstellung, oder Verweisung an ein anderes Gericht.

Verfahrensrechtliche Bedeutung und Wirkung

Die Schutzschrift hat keine rechtsverbindliche Wirkung, d. h. sie verhindert keine Maßnahme per se. Allerdings ist der Ermittlungsrichter verpflichtet, den Schriftsatz im Rahmen seiner Entscheidung zur Kenntnis zu nehmen und angemessen zu würdigen, sofern sie rechtzeitig eingeht.

Zudem zeigt die Praxis, dass gut begründete Schutzschriften regelmäßig dazu führen, dass:

  • Durchsuchungen ganz unterbleiben oder zielgerichteter durchgeführt werden
  • Haftbefehle nicht beantragt oder verweigert werden
  • Auflagen milder ausfallen
  • das Ermittlungsverfahren nicht eskaliert

Typische Anwendungsfälle

  • Wirtschaftsdelikte mit komplexen Sachverhalten, bei denen falsche Verdächtigungen im Raum stehen
  • Berufsgeheimnisträger wie Rechtsanwälte, Ärzte, Steuerberater: Schutz von Mandanten- oder Patientendaten (§ 97 StPO)
  • Medienrechtlich heikle Fälle, z. B. Durchsuchung bei Journalisten
  • Steuerstrafverfahren bei drohender Steuerfahndung

 

Kritik und rechtsstaatliche Einordnung

Vorteile:

Stärkung des rechtlichen Gehörs

Prävention vor überschießenden Eingriffen

Verbesserung der Verfahrensfairness

Förderung der Transparenz

Herausforderungen:

  • Keine formelle Regelung → Rechtsunsicherheit

  • Keine Pflicht für Ermittlungsbehörden, Stellung zu nehmen

  • Risiko, dass Verteidigungsstrategie offengelegt wird

Gleichwohl ist die Schutzschrift als rechtsstaatlich legitimes Mittel der Verteidigung anerkannt, solange sie sachlich, begründet und angemessen eingesetzt wird.

Fazit

Die Schutzschrift im Strafrecht ist ein modernes Instrument der präventiven Verteidigung, das zunehmend an Bedeutung gewinnt – insbesondere im Wirtschafts- und Steuerstrafrecht. Sie ermöglicht es der Verteidigung, proaktiv Einfluss auf richterliche Entscheidungen über Zwangsmaßnahmen zu nehmen, bevor diese getroffen werden. Auch wenn sie nicht gesetzlich normiert ist, hat sie sich als rechtlich zulässig und effektiv erwiesen – insbesondere zur Wahrung von Grundrechten und zur Verhinderung irreparabler Eingriffe in Freiheits- oder Eigentumsrechte.

Ihr Ansprechpartner

Marc Wederhake
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht

Telefon: 089 / 5880 83670
E-Mail: sekretariat@kanzlei-wederhake.de

Fachanwalt für Strafrecht - Marc Wederhake

Warum Kanzlei Wederhake?

Lassen Sie uns Ihnen helfen!

Wenn Sie Hilfe benötigen, können Sie uns gerne kontaktieren. Wir werden uns innerhalb kurzester Zeit bei Ihnen melden. Im Notfall, rufen Sie uns bitte unter folgender Nummer an:
Notrufnummer 0151/10361921