Die Berufung ist eines der wichtigsten Rechtsmittel im deutschen Strafprozess. Sie ermöglicht es, ein erstinstanzliches Urteil umfassend überprüfen zu lassen – sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht. Wer in einem Strafverfahren mit dem Urteil des Amtsgerichts nicht einverstanden ist, kann mit einer Berufung eine vollständige neue Verhandlung vor dem Landgericht erreichen. Für Beschuldigte bietet diese zweite Instanz die Möglichkeit, Fehler der ersten Verhandlung zu korrigieren und ein gerechteres Urteil zu erzielen.
Was ist eine Berufung im Strafrecht?
Die Berufung ist ein Rechtsmittel gegen Urteile der Amtsgerichte (§ 312 StPO). Sie führt dazu, dass der Fall in der nächsten Instanz – dem Landgericht – erneut vollständig verhandelt wird. Diese neue Verhandlung wird als zweite Tatsacheninstanz bezeichnet. Das bedeutet, dass nicht nur Rechtsfragen, sondern auch die Beweise, Zeugenaussagen und Tatsachen noch einmal geprüft werden.
Die Berufung ist ein grundlegendes Instrument der Rechtsstaatlichkeit. Sie stellt sicher, dass niemand allein durch ein einzelnes Urteil verurteilt bleibt, wenn berechtigte Zweifel an der Entscheidung bestehen. Gerade im Strafrecht, wo es um Freiheit, Ruf und Existenz geht, ist dieses Rechtsmittel von zentraler Bedeutung.
Fristen und Form der Berufung
Damit eine Berufung wirksam wird, müssen bestimmte Formvorschriften beachtet werden. Nach § 314 StPO ist die Berufung innerhalb einer Woche nach der Urteilsverkündung einzulegen. Diese Frist beginnt mit dem Tag der Verkündung und endet exakt sieben Tage später. Wird die Frist versäumt, ist das Urteil rechtskräftig, und eine Überprüfung ist nur noch durch andere Rechtsmittel – etwa eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – möglich.
Die Einlegung der Berufung erfolgt schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle. In der Regel übernimmt dies der Strafverteidiger des Angeklagten, um formale Fehler zu vermeiden. Nach der Einlegung wird die Berufung innerhalb eines Monats begründet (§ 317 StPO). In dieser Begründung legt die Verteidigung dar, welche Punkte des Urteils angegriffen und weshalb sie für falsch oder unverhältnismäßig gehalten werden.
Wie läuft eine Berufungsverhandlung ab?
Nach Eingang der Berufung wird das Verfahren an das Landgericht übergeben. Dort wird eine Berufungshauptverhandlung angesetzt, in der der gesamte Fall noch einmal neu geprüft wird. Das Berufungsgericht ist nicht an die Feststellungen der ersten Instanz gebunden – es kann neue Beweise aufnehmen, Zeugen erneut vernehmen oder sogar neue Zeugen zulassen.
Typischerweise besteht die Berufungsverhandlung aus:
- einer erneuten Vernehmung des Angeklagten,
- der Befragung von Zeugen, Gutachtern oder Sachverständigen,
- dem Schlussvortrag von Staatsanwaltschaft und Verteidigung,
- und schließlich dem neuen Urteil des Landgerichts.
Dieses Urteil kann das erstinstanzliche Urteil vollständig aufheben, abändern oder auch bestätigen. Das Gericht hat dabei weitreichende Entscheidungsbefugnisse und kann sowohl im Schuldspruch als auch im Strafmaß neue Feststellungen treffen.
Was kann mit einer Berufung erreicht werden?
Die Berufung bietet dem Angeklagten eine zweite Chance. Häufige Ziele einer Berufung sind:
- Freispruch – wenn die Beweise in der ersten Instanz nicht richtig gewürdigt wurden,
- Strafmilderung – wenn die Strafe im Verhältnis zur Tat zu hoch erscheint,
- Einstellung des Verfahrens – in bestimmten Fällen kann das Gericht von Strafe absehen oder das Verfahren beenden,
- Korrektur von Verfahrensfehlern – etwa bei unzulässiger Beweisführung oder Verstoß gegen Verteidigungsrechte.
Gerade wenn in der ersten Verhandlung die Beweisaufnahme fehlerhaft war oder Zeugen nicht korrekt angehört wurden, ist die Berufung das effektivste Mittel, um ein Fehlurteil zu korrigieren.
Unterschied zwischen Berufung und Revision
Während die Berufung eine neue Tatsachenverhandlung ermöglicht, prüft die Revision ausschließlich die rechtliche Richtigkeit eines Urteils. Eine Revision kann gegen Urteile der Landgerichte eingelegt werden (§ 333 StPO), sie findet vor dem Oberlandesgericht oder dem Bundesgerichtshof statt.
In der Revision werden keine neuen Zeugen gehört oder Beweise gewürdigt. Es geht ausschließlich darum, ob das Gericht die Gesetze korrekt angewendet hat. Die Berufung hingegen erlaubt eine vollständige Neubewertung des Falls – sie ist also umfassender, aber nur bei Urteilen des Amtsgerichts zulässig.
Wann ist eine Berufung sinnvoll?
Eine Berufung sollte sorgfältig geprüft werden. Sie ist dann sinnvoll, wenn:
- das Urteil auf fehlerhaften Beweisen beruht,
- das Strafmaß unverhältnismäßig hoch ausfällt,
- der Angeklagte sich nicht angemessen verteidigen konnte,
- oder wenn neue entlastende Beweise vorliegen.
Da das Berufungsverfahren erhebliche Kosten und Aufwand mit sich bringt, sollte die Entscheidung stets in enger Abstimmung mit einem erfahrenen Strafverteidiger erfolgen. Ein Fachanwalt für Strafrecht kann die Erfolgsaussichten objektiv einschätzen und eine gezielte Strategie entwickeln.
Rechtliche Grundlage und Zuständigkeit
Die rechtlichen Grundlagen für die Berufung finden sich in den §§ 312 bis 332 StPO. Zuständig ist das Landgericht, in dessen Bezirk das erstinstanzliche Amtsgericht liegt. Es entscheidet in der Regel durch eine kleine Strafkammer, bestehend aus einem Berufsrichter und zwei Schöffen.
Das Berufungsgericht kann:
- das Urteil aufheben und den Angeklagten freisprechen,
- das Urteil abändern (z. B. geringere Strafe oder andere rechtliche Bewertung),
- oder das Urteil bestätigen, wenn keine Fehler festgestellt werden.
In seltenen Fällen kann das Berufungsgericht das Verfahren an das Amtsgericht zurückverweisen, etwa wenn gravierende Verfahrensmängel festgestellt wurden.
Fazit: Die Berufung als zweite Chance im Strafverfahren
Die Berufung ist ein essenzielles Rechtsmittel im deutschen Strafprozess. Sie garantiert, dass erstinstanzliche Urteile überprüft und mögliche Fehlentscheidungen korrigiert werden können. Für Angeklagte bietet sie die Möglichkeit, neue Beweise vorzubringen, Zeugen erneut anzuhören und das Verfahren in vollem Umfang neu aufzurollen.
Die Kanzlei Wederhake begleitet Mandanten bundesweit – insbesondere in München – bei Berufungsverfahren und entwickelt individuelle Verteidigungsstrategien, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Wer ein erstinstanzliches Urteil nicht akzeptieren möchte, sollte keine Zeit verlieren: Die Berufungsfrist beträgt nur eine Woche.
