Der Begriff Klimabetrug bezeichnet gezielte Täuschungen im Zusammenhang mit klimaschutzbezogenen Angaben, CO₂-Zertifikaten oder nachhaltigkeitsbezogener Kommunikation, die auf einen unrechtmäßigen Vorteil – wirtschaftlich oder rechtlich – abzielen. Dabei geht es nicht nur um irreführende Werbung („Greenwashing“) von Unternehmen, sondern auch um systematische Betrugsformen im europäischen Emissionshandel, Manipulationen bei Klimazertifikaten oder falsche Nachhaltigkeitsversprechen gegenüber Investoren oder Verbrauchern. In Zeiten, in denen Klimaschutz zu einem zentralen Wirtschaftsfaktor geworden ist und der Zugang zu Fördermitteln, Marktprivilegien oder Verbraucherakzeptanz immer stärker von „grünen“ Nachweisen abhängt, entsteht ein hohes Anreizsystem für Täuschungen. Dies hat das Interesse der Strafjustiz geweckt – national wie international.
Begriffliche Differenzierung
Klimabetrug kann drei Hauptformen annehmen:
- CO₂-Zertifikate-Betrug: z. B. Umsatzsteuerkarusselle im Emissionshandel (bekannt seit 2009)
- Greenwashing: Unwahre oder irreführende Nachhaltigkeitsangaben durch Unternehmen
- Subventionsbetrug: Täuschung über CO₂-Einsparungen zur Erlangung staatlicher Förderung
Rechtslage in Deutschland: Anwendbare Straftatbestände
Der Begriff „Klimabetrug“ ist bislang nicht gesetzlich definiert, doch erfasst eine Reihe von bestehenden Tatbeständen, vor allem im Wirtschaftsstrafrecht:
§ 263 StGB – Betrug
Wer durch Täuschung über Tatsachen einen Irrtum erregt, um sich oder einem Dritten einen Vermögensvorteil zu verschaffen, ist strafbar.
Beispiele:
- Falsche Angaben über Klimaneutralität auf Produktetiketten
- Vorsätzliche Fehldeklaration von CO₂-Einsparungen
- Verkauf fingierter Emissionszertifikate
§ 264 StGB – Subventionsbetrug
Wer gegenüber Subventionsgebern (z. B. Umweltbundesamt, EU) unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um staatliche Fördermittel zu erhalten, macht sich strafbar.
Beispiel:
Ein Unternehmen gibt bewusst falsche CO₂-Einsparwerte an, um Investitionszuschüsse für angeblich „klimafreundliche“ Technologie zu erhalten.
§ 267 StGB – Urkundenfälschung
Die Erstellung oder Verwendung gefälschter CO₂-Zertifikate, Prüfberichte oder Umweltlabels kann als Urkundenfälschung gewertet werden.
§ 298 StGB – Submissionsbetrug / § 299 StGB – Bestechlichkeit
Bei klimabezogenen Ausschreibungen oder bei Vorteilnahme im Rahmen von Nachhaltigkeitszertifizierungen können auch Vergabevergehen strafbar sein.
Fallbeispiel: Emissionszertifikate-Betrug
Im Jahr 2009 wurde in Europa ein milliardenschwerer Umsatzsteuerbetrug im Emissionshandel aufgedeckt. Täter nutzten steuerfreie Einfuhr und steuerpflichtigen Weiterverkauf von CO₂-Zertifikaten, ohne die Umsatzsteuer abzuführen – ein klassisches Karussellgeschäft. Allein in Deutschland entstand ein Schaden von über 800 Millionen Euro.
Strafbarkeit:
- Betrug (§ 263 StGB)
- Steuerhinterziehung (§ 370 AO)
- Geldwäsche (§ 261 StGB)
- Bildung krimineller Vereinigungen (§ 129 StGB)
Greenwashing: Zwischen Irreführung und Strafbarkeit
„Greenwashing“ bezeichnet die bewusste Irreführung von Verbrauchern oder Investoren durch suggerierte Umweltfreundlichkeit, etwa:
- Verwendung nichtssagender Begriffe („klimaneutral“, „umweltbewusst“) ohne Nachweis
- Etiketten oder Siegel ohne überprüfbare Kriterien
- Nicht belegte Kompensation von CO₂-Ausstoß
Zivilrechtlich können Abmahnungen (§ 5 UWG) oder Unterlassungsansprüche folgen. Strafrechtlich wird Greenwashing nur dann relevant, wenn ein konkreter Vermögensschaden verursacht wird – z. B. durch Täuschung bei Produktpreisen, Investitionen oder Fördermittelanträgen.
Beweisprobleme und Strafverfolgung
Herausforderungen:
- Schwierige Beweisführung bei CO₂-Bilanzen oder Lebenszyklusanalysen
- Hohe Komplexität technischer Nachweise
- Grenzbereich zwischen zulässiger Werbung und Täuschung
Dennoch arbeiten Spezialstaatsanwaltschaften (z. B. in NRW oder Bayern) inzwischen gezielt mit Forensikern, Wirtschaftsprüfern und Umweltbehörden, um klimabezogene Wirtschaftskriminalität zu verfolgen.
Strafprozessuale Besonderheiten
- Verjährungsfristen (§ 78 StGB): i. d. R. fünf bis zehn Jahre
- Einziehung von Vorteilen (§ 73 StGB): auch klimabezogen erschlichene Förderungen können eingezogen werden
- Internationale Rechtshilfe: insbesondere bei CO₂-Zertifikatehandel über Plattformen in Luxemburg, Schweiz, China
Zukunftsperspektive: Brauchen wir einen § „Klimabetrug“?
Die Diskussion um einen eigenen Straftatbestand – vergleichbar mit dem Subventionsbetrug oder dem Kapitalanlagebetrug – nimmt Fahrt auf. Mögliche Elemente eines neuen § XYZ StGB:
- Täuschung über Klimaschutzleistungen oder Nachhaltigkeitsindikatoren
- Unerlaubte Ausstellung oder Handel mit Emissionszertifikaten
- Irreführende Verwendung von Öko-Siegeln mit Vermögensrelevanz
Fazit
Klimabetrug ist ein moderner Oberbegriff für komplexe Täuschungshandlungen, bei denen Klimaschutz zum Mittel wirtschaftlicher Vorteilsverschaffung gemacht wird. Bereits heute greifen zahlreiche Strafnormen, auch wenn ein spezifischer Tatbestand fehlt. Mit zunehmender Regulierung von Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD, ESG) und CO₂-Zertifikatsmärkten wird auch die strafrechtliche Relevanz wachsen.