Der Strafvollzug ist die Phase nach der rechtskräftigen Verurteilung, in der die verhängte Freiheitsstrafe tatsächlich verbüßt wird. Er markiert also den Übergang von der gerichtlichen Entscheidung zur praktischen Umsetzung der Strafe – konkret: den Aufenthalt im Gefängnis. In Deutschland ist der Strafvollzug nicht bloß als „Verwahrung“ des Straftäters gedacht, sondern verfolgt das Ziel, den Gefangenen auf ein straffreies Leben in Freiheit vorzubereiten. Grundlage dafür bilden das Strafvollzugsgesetz (StVollzG) des Bundes sowie die Strafvollzugsgesetze der Länder, die den Haftalltag, Rechte und Pflichten regeln.
Was bedeutet Strafvollzug?
Der Strafvollzug umfasst die gesamte Zeitspanne, in der eine rechtskräftig ausgesprochene Freiheitsstrafe tatsächlich vollstreckt wird. Während das Strafverfahren der Feststellung von Schuld und Strafmaß dient, geht es im Strafvollzug um die konkrete Durchführung der Strafe. Zuständig sind die Justizvollzugsanstalten (JVA), die unter der Aufsicht der jeweiligen Landesjustizministerien stehen.
Das Ziel des Strafvollzugs ist laut § 2 StVollzG die Resozialisierung – also die Wiedereingliederung des Straftäters in die Gesellschaft. Gleichzeitig soll die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten geschützt werden. Der Vollzug dient daher nicht allein der Vergeltung, sondern vor allem der Vorbereitung auf ein Leben in sozialer Verantwortung und ohne erneute Delikte.
Rechtsgrundlagen und Zuständigkeit
Seit der Föderalismusreform von 2006 liegt die Zuständigkeit für den Strafvollzug bei den Bundesländern. Jedes Bundesland verfügt über ein eigenes Landesstrafvollzugsgesetz – etwa das Bayerische Strafvollzugsgesetz (BayStVollzG) für Bayern. Diese Gesetze regeln unter anderem:
- den Ablauf der Haft,
- Aufschluss- und Einschlusszeiten,
- Arbeitspflichten, Ausbildungsmöglichkeiten und Freizeit,
- Besuchsrechte, Telefonate und Schriftverkehr,
- Disziplinarmaßnahmen und Sanktionen,
- sowie Entlassungsvorbereitung und Nachsorge.
Die praktische Umsetzung dieser Regelungen obliegt den Justizvollzugsanstalten, die für den geordneten und sicheren Ablauf des Vollzugsalltags verantwortlich sind.
Arten des Strafvollzugs: Offener und geschlossener Vollzug
Im deutschen Strafvollzug unterscheidet man grundsätzlich zwischen zwei Formen: dem offenen und dem geschlossenen Vollzug.
- Geschlossener Vollzug: Er ist die Regelvollzugsform bei schwereren Straftaten oder Fluchtgefahr. Die Haftanstalt ist gesichert, der Kontakt zur Außenwelt streng reglementiert. Ausgang oder Freigang sind nur in Ausnahmefällen erlaubt.
- Offener Vollzug: Diese Vollzugsform kommt für Gefangene mit geringem Fluchtrisiko oder positiver Sozialprognose in Betracht. Sie dürfen das Anstaltsgelände unter Aufsicht verlassen, z. B. zur Arbeit, Ausbildung oder Therapie. Ziel ist es, die Wiedereingliederung frühzeitig vorzubereiten.
Über die Unterbringung entscheidet die Vollzugsbehörde im sogenannten Zuweisungsverfahren. Der Vollzugsplan (§ 7 StVollzG) enthält detaillierte Angaben zur Vollzugsform, zu Behandlungsmaßnahmen, Arbeit, Ausbildung und Resozialisierungszielen.
Der Vollzugsplan – Leitlinie der Haftzeit
Für jeden Inhaftierten wird zu Beginn der Haft ein individueller Vollzugsplan erstellt. Dieser enthält:
- die Einschätzung zur Gefährlichkeit und Sozialprognose,
- die Zuweisung zu Arbeit, Ausbildung oder Therapie,
- Ziele und Maßnahmen der Resozialisierung,
- sowie Empfehlungen zur Haftlockerung oder Entlassungsvorbereitung.
Der Vollzugsplan wird regelmäßig überprüft und angepasst. Er dient als Grundlage für Entscheidungen über Lockerungen, Verlegungen oder Entlassungen. Ziel ist es, die Haftzeit sinnvoll zu gestalten und den Übergang in ein straffreies Leben vorzubereiten.
Alltag im Strafvollzug
Das Leben in Haft ist durch feste Strukturen, Pflichten und Regeln geprägt. Arbeit spielt eine zentrale Rolle im Strafvollzug. Gefangene sind grundsätzlich zur Arbeit verpflichtet (§ 41 StVollzG), es sei denn, gesundheitliche Gründe stehen dem entgegen. Die Beschäftigung kann in Werkstätten der JVA oder externen Betrieben erfolgen. Sie dient nicht nur der Disziplin, sondern auch der beruflichen Wiedereingliederung.
Neben der Arbeit stehen den Gefangenen begrenzte Freizeitangebote, Bildungsmaßnahmen und therapeutische Programme offen. Je nach Anstalt können auch Sport, religiöse Betreuung oder Suchtberatung Teil des Vollzugs sein. Der Kontakt zur Außenwelt erfolgt über Besuche, Telefonate oder Briefverkehr – alles unter Aufsicht und nach festen Regeln.
Rechte und Pflichten der Gefangenen
Obwohl der Freiheitsentzug den zentralen Eingriff darstellt, behalten Gefangene grundlegende Rechte. Diese umfassen insbesondere:
- das Recht auf menschenwürdige Behandlung,
- Gesundheitsversorgung und seelsorgerische Betreuung,
- Rechtsberatung und Verteidigung,
- sowie das Recht auf Kontakt zu Familie und Freunden.
Verstoßen Gefangene gegen Vollzugsregeln, können Disziplinarmaßnahmen folgen – etwa Arrest, Besuchsverbot oder Entzug von Vergünstigungen. Gegen solche Entscheidungen ist die Vollzugsbeschwerde möglich (§ 109 StVollzG). Auch Dienstaufsichtsbeschwerden gegen Vollzugsbeamte oder Anstaltsentscheidungen können eingereicht werden, wenn Grundrechte verletzt wurden.
Rechtsmittel im Strafvollzug
Gegen Entscheidungen der Justizvollzugsanstalt steht dem Gefangenen ein eigenes Rechtsmittelverfahren zur Verfügung – das sogenannte Strafvollzugsverfahren (§§ 109 ff. StVollzG). Der Inhaftierte kann sich hier gegen unrechtmäßige oder unverhältnismäßige Maßnahmen wehren, etwa bei:
- ungerechtfertigten Disziplinarstrafen,
- Verweigerung von Vollzugslockerungen,
- Verlegung in eine andere Anstalt,
- oder bei Problemen mit Arbeit, Besuch oder Therapieangeboten.
Der Antrag wird an das zuständige Strafvollstreckungsgericht gerichtet. In Bayern ist dies meist das Landgericht, in dessen Bezirk die JVA liegt. Betroffene sollten sich frühzeitig anwaltlich beraten lassen, um Fristen und Formvorschriften einzuhalten.
Ziel des Strafvollzugs: Resozialisierung statt bloßer Strafe
Auch wenn der Freiheitsentzug eine Form der staatlichen Sanktion ist, steht heute nicht mehr die Bestrafung im Vordergrund, sondern die Resozialisierung. Der Strafvollzug soll helfen, kriminelle Strukturen aufzubrechen und Perspektiven für ein gesetzestreues Leben zu schaffen. Dazu gehören:
- berufliche Qualifikation,
- soziale Trainingsmaßnahmen,
- Therapie- und Anti-Gewalt-Programme,
- und Vorbereitung auf die Entlassung, z. B. durch Hafturlaub oder offene Vollzugsformen.
Die Idee: Wer in der Haft Verantwortung übernimmt und Fortschritte zeigt, soll schrittweise wieder an Freiheit herangeführt werden. Eine erfolgreiche Wiedereingliederung dient letztlich auch dem Schutz der Allgemeinheit, da sie Rückfälle verhindert.
Fazit: Strafvollzug zwischen Kontrolle und Chance
Der Strafvollzug ist weit mehr als die reine Vollstreckung einer Freiheitsstrafe. Er verbindet den Schutz der Gesellschaft mit der Chance auf Neubeginn für den Täter. Durch Arbeit, Bildung, Therapie und soziale Betreuung sollen Gefangene befähigt werden, künftig ein selbstbestimmtes und straffreies Leben zu führen.
Die Kanzlei Wederhake berät Mandanten in München und bundesweit zu allen Fragen rund um den Strafvollzug – von Haftbedingungen und Vollzugslockerungen bis zu Rechtsmitteln gegen Anstaltsentscheidungen. Ein erfahrener Fachanwalt für Strafrecht kann helfen, Rechte durchzusetzen und den Weg zur Resozialisierung aktiv zu begleiten.
