Der Strafbefehl ist ein in der Strafprozessordnung (StPO) vorgesehenes Instrument zur Verfahrensvereinfachung, insbesondere bei einfach gelagerten Strafsachen. Dabei beantragt die Staatsanwaltschaft beim Strafgericht, den Beschuldigten ohne Hauptverhandlung durch schriftlichen Strafbefehl zu verurteilen. Dieses vereinfachte Verfahren soll vor allem Gerichte entlasten, Verfahrensdauer verkürzen und eine schnelle Sanktionierung ermöglichen. Für Beschuldigte kann der Strafbefehl gravierende Folgen haben – insbesondere, wenn nicht fristgerecht Einspruch eingelegt wird. Denn ein rechtskräftiger Strafbefehl steht in seinen Wirkungen einem Urteil gleich (§ 410 Abs. 3 StPO).
Gesetzliche Grundlage
Die rechtlichen Regelungen zum Strafbefehlsverfahren finden sich in den §§ 407 bis 412 der Strafprozessordnung (StPO).
“Bei Vergehen kann die Staatsanwaltschaft, wenn sie eine Hauptverhandlung nicht für erforderlich hält, bei dem Amtsgericht den Erlass eines Strafbefehls beantragen.”
Voraussetzungen für den Erlass eines Strafbefehls
Ein Strafbefehl kommt nur bei Vergehen (§ 12 Abs. 2 StGB) in Betracht, nicht bei Verbrechen (also keine Mindeststrafe von über einem Jahr).
Weitere Voraussetzungen:
Der Sachverhalt ist ausreichend geklärt (kein Beweisaufnahmebedarf).
Die Staatsanwaltschaft hält eine Hauptverhandlung für entbehrlich.
Es liegen keine schwerwiegenden rechtlichen oder tatsächlichen Zweifel vor.
Der Tatvorwurf kann mit einer gesetzlich zulässigen Sanktion geahndet werden.
Mögliche Rechtsfolgen im Strafbefehl
Im Strafbefehl darf das Gericht (auf Antrag der Staatsanwaltschaft) folgende Sanktionen verhängen (§ 407 Abs. 2 StPO):
Eine Freiheitsstrafe darf nur zur Bewährung ausgesetzt (§ 56 StGB) und maximal ein Jahr betragen. Ohne Bewährung ist sie im Strafbefehlsverfahren nicht zulässig.
Verfahrensablauf
Strafanzeige oder Ermittlungsverfahren: Ausgangspunkt ist wie bei jedem Strafverfahren eine Anzeige oder ein Ermittlungsverfahren.
Anklageerhebung entfällt
- Anstelle einer öffentlichen Anklage beantragt die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht den Erlass eines Strafbefehls (§ 407 StPO).
Erlass durch das Gericht
Das Gericht prüft den Antrag auf Plausibilität, ohne Beweisaufnahme.
Es kann den Antrag ablehnen oder den Strafbefehl erlassen (§ 408 StPO).
Zustellung an den Beschuldigten
Der Beschuldigte erhält den Strafbefehl per Post mit Belehrung über das Einspruchsrecht.
Einspruch oder Rechtskraft
Der Betroffene hat zwei Wochen Zeit, Einspruch einzulegen (§ 410 StPO).
Wird kein Einspruch erhoben, wird der Strafbefehl rechtskräftig und wirkt wie ein Urteil (§ 410 Abs. 3 StPO).
Bei Einspruch: Hauptverhandlung
Nach Einspruch kommt es zu einer ordentlichen Hauptverhandlung – mit vollen Rechten für den Angeklagten und offener Strafzumessung (§ 411 StPO).
Rechtsfolgen eines Strafbefehls
Ein rechtskräftiger Strafbefehl hat dieselben Wirkungen wie ein Urteil, z. B.:
Eintrag im Bundeszentralregister
Eintragung im Führungszeugnis, wenn die Geldstrafe über 90 Tagessätze beträgt oder andere Rechtsfolgen hinzukommen (§ 32 BZRG)
Vorstrafenstatus, relevant bei zukünftigen Verfahren
Mögliche Disziplinarfolgen für Beamte, Berufsträger oder Soldaten
Einspruch gegen den Strafbefehl
§ 410 StPO gewährt dem Beschuldigten das Recht, binnen zwei Wochen nach Zustellung Einspruch einzulegen. Dieser ist formlos, aber schriftlich oder zur Niederschrift bei der Geschäftsstelle zu erklären.
Folgen des Einspruchs:
Durchführung einer öffentlichen Hauptverhandlung (§ 411 StPO)
Das Gericht ist nicht an den Strafbefehl gebunden – es kann auch härtere Strafen verhängen (sog. reformatio in peius nur unter engen Voraussetzungen)
Tipp:
Ein Einspruch sollte gut überlegt sein und nach anwaltlicher Prüfung erfolgen – insbesondere bei unklarer Beweislage oder drohenden Nebenfolgen (z. B. Fahrerlaubnisentzug).
Vorteile des Strafbefehlsverfahrens
Schnelligkeit: keine aufwändige Hauptverhandlung
Kostenersparnis: geringere Verfahrenskosten
Schutz der Privatsphäre: keine öffentliche Hauptverhandlung
Vermeidung von Untersuchungshaft bei Geständnis und Kooperationsbereitschaft
Risiken und Fallstricke
Verkennung der Tragweite: Viele Betroffene unterschätzen, dass ein Strafbefehl eine vollwertige strafrechtliche Verurteilung darstellt.
Keine Beweisaufnahme vor Erlass: Der Strafbefehl basiert allein auf dem Akteninhalt – Gegenargumente des Beschuldigten können untergehen.
Fristversäumnis: Wer den Einspruch nicht rechtzeitig einlegt, verliert nahezu alle Rechte zur Verteidigung.
Fazit
Der staatsanwaltschaftliche Strafbefehl ist ein effektives Instrument zur vereinfachten Strafverfolgung bei Bagatelldelikten. Er dient der Entlastung der Justiz, birgt jedoch erhebliche rechtliche Risiken für Betroffene. Wer einen Strafbefehl erhält, sollte sich umgehend rechtlich beraten lassen, um Fristen nicht zu versäumen und die Verteidigungsmöglichkeiten korrekt einzuschätzen.