Begriffe aus dem Strafrecht erklärt

Putativnotwehr

Inhaltsverzeichnis

Die Putativnotwehr ist ein komplexes strafrechtliches Konzept, das immer wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führt. Sie beschreibt eine Situation, in der eine Person irrtümlich davon ausgeht, sich in einer Notwehrlage zu befinden, obwohl objektiv kein rechtswidriger Angriff vorliegt. In der Praxis bedeutet dies, dass der Täter glaubt, gerechtfertigt zu handeln, obwohl dies tatsächlich nicht der Fall ist. Dies führt zur juristischen Einordnung als Erlaubnistatbestandsirrtum, was erhebliche Auswirkungen auf die Strafbarkeit haben kann.

Strafverteidiger Marc Wederhake erklärt in diesem Artikel die rechtlichen Grundlagen, die Abgrenzung zur echten Notwehr und zum Notwehrexzess sowie Verteidigungsstrategien bei strafrechtlichen Vorwürfen im Zusammenhang mit Putativnotwehr.

Die rechtliche Grundlage der Putativnotwehr

Die Putativnotwehr ist keine gesetzlich normierte Kategorie, sondern eine Fallgruppe des Erlaubnistatbestandsirrtums. Dieser ist eine Form des Tatbestandsirrtums und findet seine Grundlage in der allgemeinen Irrtumslehre des deutschen Strafrechts. Die maßgeblichen Normen zur Beurteilung von Irrtümern sind:

Abgrenzung zwischen Notwehr, Notwehrexzess und Putativnotwehr

1. Notwehr (§ 32 StGB)

Eine zulässige Notwehrlage liegt vor, wenn:

  1. Ein gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff auf Leben, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum erfolgt.
  2. Eine angemessene Verteidigungshandlung erfolgt, die erforderlich ist, um den Angriff abzuwehren.
  3. Keine Überschreitung der Notwehrgrenzen vorliegt.

2. Notwehrexzess (§ 33 StGB)

Der Notwehrexzess liegt vor, wenn eine Notwehrlage bestand, der Täter jedoch übermäßig oder unangemessen reagiert. Dies kann aus:

  • Intensitätsüberschreitung (unangemessene Gewaltanwendung) oder
  • Dauerüberschreitung (Verteidigungshandlung erfolgt, nachdem der Angriff vorbei ist) bestehen.

Ein klassisches Beispiel ist eine übermäßige Gewalteinwirkung auf einen Angreifer, obwohl eine mildere Abwehrmaßnahme möglich gewesen wäre.

3. Putativnotwehr (Erlaubnistatbestandsirrtum)

Die Putativnotwehr unterscheidet sich davon grundlegend. Hier liegt objektiv keine Notwehrlage vor, der Täter glaubt jedoch fälschlicherweise an eine solche.

Beispiel: Ein Hausbesitzer sieht nachts eine Person im Garten und hält sie für einen Einbrecher. Tatsächlich handelt es sich um den Nachbarn, der nach seiner Katze sucht. Der Hausbesitzer greift den vermeintlichen „Einbrecher“ mit einer Waffe an.

Die Bedeutung des Erlaubnistatbestandsirrtums

Der Erlaubnistatbestandsirrtum, der in der Putativnotwehr eine Rolle spielt, ist ein subjektiver Irrtum. Der Täter handelt in der Vorstellung, er befinde sich in einer Notwehrlage. Die juristische Bewertung unterscheidet sich je nach vertretener Rechtsauffassung:

  • Strenge Schuldtheorie: Der Irrtum führt zu einem Schuldausschluss.
  • Eingeschränkte Schuldtheorie: Der Irrtum wird nur berücksichtigt, wenn er unvermeidbar war.

Die Rechtsprechung folgt in der Regel der eingeschränkten Schuldtheorie, was bedeutet, dass der Täter nur dann straffrei bleibt, wenn sein Irrtum unvermeidbar war. War der Irrtum vermeidbar, kann eine Strafmilderung erfolgen.

Beispiele für Putativnotwehr aus der Praxis

  • Jägerfall: Ein Jäger schießt auf einen Menschen, weil er ihn für ein Wildtier hält.
  • Verwechslung in der Dunkelheit: Ein Mann hält eine Person auf einer dunklen Straße für einen Angreifer und schlägt sie nieder.
  • Fehlinterpretation eines Streits: Eine Person glaubt fälschlicherweise, dass ein Freund attackiert wird, und greift den vermeintlichen Angreifer an.

Strafbarkeit bei Putativnotwehr: Wann drohen Konsequenzen?

Ob und in welchem Umfang eine Strafe droht, hängt davon ab, ob der Irrtum vermeidbar war:

  • Unvermeidbarer Irrtum: Der Täter bleibt straffrei.
  • Vermeidbarer Irrtum: Der Täter kann wegen Fahrlässigkeit bestraft werden, falls das Delikt auch fahrlässig strafbar ist (z. B. fahrlässige Körperverletzung, § 229 StGB).
  • Vorsätzliche Tatbegehung trotz Irrtum: Wenn der Täter hätte erkennen können, dass keine Notwehrlage bestand, kann er strafbar sein.

Verteidigungsstrategien bei Vorwürfen der Putativnotwehr

Wenn eine Person wegen einer Tat in Putativnotwehr angeklagt wird, kann ein erfahrener Verteidiger wie Marc Wederhake folgende Verteidigungsansätze verfolgen:

  1. Unvermeidbarkeit des Irrtums nachweisen: War der Irrtum nicht vermeidbar, kann eine Straflosigkeit erreicht werden.
  2. Nachweis der subjektiven Vorstellung: Der Verteidiger kann argumentieren, dass der Täter tatsächlich von einer Notwehrlage ausging.
  3. Fehlende grobe Fahrlässigkeit betonen: Falls eine Fahrlässigkeitsprüfung erfolgt, kann versucht werden, eine milde Sanktion zu erreichen.
  4. Ermittlungsfehler der Polizei oder falsche Zeugenaussagen entlarven: Gerade in stressigen Situationen sind Fehleinschätzungen häufig.

Schlusswort: Wann lohnt sich eine Verteidigung bei Putativnotwehr?

Die Putativnotwehr ist eine komplexe strafrechtliche Thematik, die maßgeblich davon abhängt, ob der Täter sich berechtigterweise in einer Notwehrlage wähnte. Marc Wederhake erklärt, dass eine Verteidigung insbesondere dann sinnvoll ist, wenn sich der Irrtum als unvermeidbar darstellen lässt oder wenn eine Differenzierung zwischen fahrlässiger und vorsätzlicher Tatbegehung entscheidend für das Strafmaß ist.

Wer mit einem strafrechtlichen Vorwurf im Zusammenhang mit Putativnotwehr konfrontiert ist, sollte frühzeitig eine fundierte Verteidigungsstrategie mit einem erfahrenen Strafverteidiger entwickeln.

Ihr Ansprechpartner

Marc Wederhake
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht

Telefon: 089 / 5880 83670
E-Mail: sekretariat@kanzlei-wederhake.de

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